Wie in einem baulichen Yin und Yang schmiegt sich das Yin der freien Fläche um das Yang der Produktions- und Lagerhallen der Firma Hoffmann Neopac im Thuner Stadtteil Gwatt. Hier werden Tuben und Dosen hergestellt, die bestehende Produktionsfläche von rund 3 ha ist aber ausreichend. Das Unternehmen plante daher, seine Landreserven von 35700 m² für eine Wohnbebauung zur Verfügung stellen. Das Programm des dafür durchgeführten Projektwettbewerbs mit zwölf eingeladenen Teams legte den Schwerpunkt auf das generationenübergreifende Wohnen. Indem man die lokale Stiftung Wohnen im Alter (WiA) ins Boot holte, konnte ein Betreiber für das vorgesehene Pflegeheim und die geplanten Alterswohnungen gefunden werden. Eine Mischung aus Eigentums- und Mietwohnungen soll für den sozialen Mix sorgen; ein Quartierladen und eine Kindertagesstätte ergänzen das geplante Angebot.
Die Lage des Geländes ist eine Herausforderung: Nach Osten schliesst ein Wohnquartier mit Einzel- und Mehrfamilienhäusern an das Areal an, aber im Westen – sozusagen als Rückgrat – befindet sich die 280 m lange Werkhalle des Verpackungsbetriebs. Zwar sollten die Wettbewerbsteilnehmer bereits eine Vision für die Zeit nach dessen allfälligem Wegzug präsentieren, die erste Etappe sieht aber lediglich die Bebauung der Landreserve vor. Neben der Nähe zur Bahnlinie – das Grundstück liegt an der Eisenbahnstrasse – waren also auch die Lärmemissionen des laufenden Betriebs zu beachten.
Spannend wird es später
Alle fünf rangierten Teams lösten die Aufgabe in der ersten Etappe ähnlich: Locker, aber gleichmässig verteilen sich die in Kubatur und Materialisierung unterschiedlich ausgeformten Wohnbauten über die gesamte freie Fläche, lediglich die Platzierung des Altenheims variierte zwischen nordöstlicher und südwestlicher Grundstücksgrenze.
Grössere Variationen ergaben sich beim Umgang mit dem freien Grundstück in Etappe 2. So führt der erstplatzierte «Neoparc» die lockere Bebauung in einer weitläufigen Grünfläche fort, sein Namensvetter auf Rang 4 hingegen setzt auf Konzentration. Mit drei Neubauten und einem gestaffelten, gestreckten Riegel erinnert seine Gesamtlänge an das Fabrikgebäude. Gleichzeitig erfolgt so eine scharfe Abgrenzung zur Bahnlinie, und der Grünraum zwischen den beiden Bauetappen wird freigespielt.
Harmonie auf dem Gelände
Dem Siegerentwurf gelingt es, die verschiedenen Ansprüche auszutarieren. Durch die Gliederung des Areals in drei Teilbereiche schafft er Zonen, die im Öffentlichkeitsgrad variieren, und bietet Rückzugsmöglichkeiten im grünen Freiraum. Die einzelnen Bereiche sind dabei jeweils um einen Platz gruppiert. Die Kindertagesstätte, der Quartierladen, die 48 Alterswohnungen und das Pflegeheim mit über hundert Plätzen liegen in der südwestlichen Ecke des Areals, wo sich gegenüber bereits die Primarschule und die Kirche befinden. Die neue Bebauung wird dieses bestehende Subzentrum im Quartier weiter stärken. Zum Areal hin formiert sie sich um den neu geschaffenen Hoffmann-Platz.
Die 113 Miet- und die 64 Eigentumswohnungen verteilen sich auf drei- bis sechsgeschossige Punkt- und Zeilenbauten, die eine Vielzahl von Wohnungstypen zulassen, vom klassischen Tag-Nacht-Typus über das Durch- und Übereckwohnen bis zum «Marktplatz-Typus» von Alvar Aalto. Sie sind im nördlichen Grundstücksteil ebenfalls locker um einen Platz angeordnet. Etappe 2 sieht eine weitere Baugruppe vor, diesmal allerdings gestreckt, als Abschottung zur Bahn am westlichen Rand des Areals. So bleibt im Zentrum ein öffentlicher Grünraum, als Park für das gesamte Quartier.
Aktuell arbeitet die Stadt Thun an der Strategie zur Stadtentwicklung 2030. Ähnliche Fragen in Bezug auf die Verdichtung nach innen werden sich künftig also auch andernorts im Stadtgebiet stellen. Verfahren und Projekt erhalten vor diesem Hintergrund Modellcharakter.
Tina Cieslik Architektur/ Innenarchitektur, Redaktorin TEC21
Weitere Teilnehmer
«Gwindel»: W2H Architekten, Bern; weber + brönnimann, Bern; vizoom, Berlin; Grolimund + Partner, Bern
«équilibre»: Rykart Architekten, Liebefeld; Luzius Saurer, Hinterkappelen; Grolimund + Partner, Bern
«Hortus apertus»: brügger architekten, Thun; extra Landschaftsarchitekten, Bern; Grolimund + Partner, Bern; Kontextplan, Bern
«Gartenstadt Gwatt»: Burckhardt + Partner, Bern; Hager Partner, Zürich; Zeugin Bauberatungen, Münsingen
«Kosmos»: Kocher Minder Architekten, Thun; bbz bern, Bern; Iseli Akustik / Bauphysik, Gwatt; Planum Biel, Biel; indievisual, Zürich
«diagonal»: L2A Lengacher Althaus, Unterseen-Interlaken; Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten, Bern; HSR Ingenieure, Spiez
«Alpenglühen»: W2 Architekten, Bern; David & Von Arx Landschaftsarchitektur, Solothurn; Zeugin Bauberatungen, Münsingen