Die Versuchsanordnung gleicht sich häufig rund um die Ballungszentren herum: In der Agglomeration schiessen auf gut erschlossenen ehemaligen Industriearealen städtische Versatzstücke in die Höhe, um die Dichte zu erhöhen und die Pendler in Bahnhofsnähe unterzubringen. Die bekanntesten – und wohl auch pointiertesten – Lösungsansätze für diese Aufgabe sind das Richti-Areal in Wallisellen nach dem Masterplan von Vittorio Magnago Lampugnani und das Rapid-Areal in Dietikon von Hans Kollhoff. Als Blaupause diente in beiden Fällen die europäische Stadt aus der Gründerzeit mit ihrer Blockrandbebauung.
Man mag diese isolierten urbanen Zitate durchaus kritisch kommentieren, doch die Frage bleibt: Was könnte die Alternative sein? Wie kann in einer oft zusammengewürfelten Umgebung ein überzeugendes Stück Neustadt entstehen, das sich nicht zu plakativ von seinen Nachbarn abhebt?
Das Dilemma liegt in der Natur der Aufgabe und ist dem Pflichtenheft inhärent: Die erhöhte Dichte lässt oft nicht zu, dass die Strukturen der Umgebung weitergeführt werden können – wenn es denn überhaupt etwas gibt, was sich aufzunehmen lohnt. Am Ende wird die Argumentation einfach umgedreht: Der neue Stadtteil soll die Urbanisierung erst richtig anstossen und als Kristallisationspunkt für die zukünftige Entwicklung dienen.
Umso bedeutender ist die umsichtige Wahl des Bebauungsmusters, wenn dessen Struktur weit über die Grenze des Areals hinaus reichen und wirken soll. Die Projektziele auf dem 42 000 m2 grossen Vetropack-Areal waren 400 kostengünstige Mietwohnungen, 150 Eigentumswohnungen sowie etwa 35 000 m2 gewerbliche Nutzungen – bei einer maximalen Ausnutzung von 230 %. Bei solchen Vorgaben spielt die Qualität des Aussenraums eine entscheidende Rolle. Die Projektteams setzten sich denn auch durchgehend aus einem Gespann aus Architektur und Landschaftsarchitektur zusammen, weitere Fachplaner sind im Jurybericht leider nicht ausgewiesen.
Auf der Tabula rasa des einstigen Industrieareals soll nun der neue Stadtteil Bülach Nord entstehen. Duplex Architekten und Vogt Landschaftsarchitekten machten mit einer kleinteiligen Struktur das Rennen. Sie versprechen ein vielgestaltiges Quartier mit geometrisch freien Formen, die als «identitätsstiftende USP» beschrieben werden. Einzig die verzerrte Geometrie bietet nur wenig Anknüpfung für eine weitere Entwicklung, und in der Umsetzung werden die Grundrisse wohl eine ziemliche Herausforderung darstellen.
In die letzte Runde schaffte es ebenfalls das Projekt von BIG Bjarke Ingels Group und ASP Landschaftsarchitekten. Sie setzen die Aufgabe mit angedeuteten Hofrändern mit einer kammartigen Struktur um. Im Rücken der Häuser liegt einen grosszügiger linsenförmiger Platz, der dem Quartier Präsenz verleiht.
Das Siegerprojekt zeigt eine andere Strategie zum eingangs erwähnten Blockrand. Ist dies ein Ansatz, um Bülach eine spezifische Identität unter den Agglomerationsgemeinden zu verleihen? Ab 2018 kann beobachtet werden, wie sich der Masterplan bewährt: Auf dann ist der Baustart geplant.
Text: Marko Sauer, Architekt