Die Kirche ist in der Krise. Vorbei sind die Zeiten, als ihre Gotteshäuser einfach nur Sakralräume waren. Mangels Mitgliedern werden die Gebäude mit kompatiblen Nutzungen zusatzbelegt – im besten Fall – oder gleich umgenutzt und ausgebaut.
Ähnlich, wenn auch nicht ganz so radikal sieht die Zukunft der Peterskapelle in der Luzerner Altstadt aus. Das Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert steht an prominenter Stelle: am nördlichen Kopf der Kapellbrücke, der sie den Namen gab. Die Kapelle hat keine eigene Pfarrgemeinde und wird heute hauptsächlich für die Gottesdienste der Migrationsgemeinden genutzt. Die letzte umfassende Renovation des Baus liegt schon über 50 Jahre zurück, weswegen die Katholische Kirche Stadt Luzern als Eigentümerin im Mai 2015 beschloss, einen Wettbewerb zur Fassadensanierung auszuschreiben und bei dieser Gelegenheit den Innenraum neu zu gestalten.
Die Anforderungen an die Neugestaltung wurden innerhalb mehrerer Arbeitsgruppen, die auch die Denkmalpflege sowie Vertreterinnen und Vertreter des Pastoralraums und der Kirchgemeinde umfassten, definiert: Zum einen sollte der Innenraum auch auf kulturelle Veranstaltungen ausgelegt werden und als Ort der Stille dienen. Zusätzlich soll ein «Citypastoral» integriert werden, eine Art niederschwellige urbane Anlaufstelle für alle an Glaube und Kirche Interessierten. Der Schwerpunkt liegt aber weiterhin auf der liturgischen Nutzung.
In Balance
Das richtige Verhältnis zu finden zwischen profanem und sakralem Gebrauch und dieses räumlich auszuformulieren, war die Krux des Projekts. 48 Teams wollten sich der Aufgabe stellen, acht wurden zur Weiterbearbeitung eingeladen. Gewonnen hat mit «Passepartout» von Durrer Architekten aus Luzern ein Entwurf, der die beiden Aspekte gleich hoch gewichtet.
Der Entwurf fusst auf zwei markanten Eingriffen: der Nivellierung des Bodens auf zwei Niveaus (Kirchenraum und Vorchor/Chor) und der Umgestaltung der Eingangszone durch eine möbelhafte Holzkonstruktion. Der Boden wird durch einen dunklen Terrazzo ersetzt, dessen durchgehende Fläche den Raum beruhigt. Das neue Holzfaltwerk an der Westseite wirkt wie ein Vorhang unter der Empore, der zum einen verbirgt, zum anderen fasst: Eingang, Treppenaufgang und der Raum für die Seelsorge verschwinden hinter den Lamellen. Die Seitenkapelle mit der Pietà und der Arbeitsplatz für das Citypastoral sind jeweils daneben angeordnet, werden durch das Holz gerahmt und aufgewertet. Der schön proportionierte Arbeitsplatz, Studiolo genannt, erhält zusätzlich ein Fenster und wird so auch von aussen sichtbar. Eine Aufwertung erfährt das Taufbecken: Es ist vor der Holzwand platziert, deren konkave Wölbung einen intimen Raum bildet.
Tempel oder Salon
Entwürfe, die einen der beiden Aspekte stärker gewichteten, blieben chancenlos: Der drittplatzierte Beitrag «Aquabianca» von Meletta Strebel Architekten, Luzern, positionierte sich als «katholische Kirche mit toleranten Nebenutzungen». Die liturgischen Objekte Altar, Ambo und Taufstein sind als eigenständige Elemente skulptural in den Raum gesetzt, die Kreuzwegbilder an den Seitenwänden mit Rahmen betont. In seiner Gesamtheit wirkte das durchkomponierte Programm auf die Jury aber zu theatralisch.
Die umgekehrte Richtung, eine Hinwendung zu einer eher irdischen Anwendung, versuchten mehrere Projekte, so «Wabi-sabi» von Romero & Schaefle Architekten, Zürich (ausgeschieden), der den Raum sehr schön klärte, aber mit seiner expressiven Farbigkeit in Purpurrot und markanten Leuchtstelen zu sehr nach Museum aussah. Einen Versuch mit einer interessanten hölzernen Freiform wagte Roswitha Büsser, Zürich (Beitrag «ANGELA»), die aber an den kleinen Proportionen des Raums scheiterte.
Mut zur Farbe
Obwohl verworfen, zeigen auch die anderen Beiträge interessante Ansätze, vor allem, was die Farbigkeit betrifft. Der Siegerentwurf ist in sich stimmig – wenn auch etwas blass – und schafft den Spagat zwischen den vielfältigen Aufgaben und den komplexen Rahmen, der durch die Liturgie vorgegeben ist. Aber vielleicht lassen sich die Beteiligten ja von der ein oder anderen Idee zu etwas Farbe inspirieren?
Text: Tina Cieslik, Redaktorin Architektur/Innenarchitektur
Weitere Teilnehmer
«ANGELA»: Roswitha Büsser, Architektin, Zürich; Urs B. Roth, Atelier für Konkrete Kunst, Zürich; Widmer Partner, Baurealisation, Zug; mati, Lichtgestaltung, Adliswil
«circumstantes»: Harder Spreyermann Architekten, Zürich; Christina Morra, Kunsthistorikerin, Zürich; Vogtpartner, Lichtgestaltende Ingenieure, Winterthur; Zehnder & Kälin, Akustik und Bauphysik, Winterthur
«SAINT PIERRE»: Osolin & Plüss Architekten, Basel; Markus Stegmann, Kunsthistoriker, Basel; Lichtplanung Stefan Bormann, Zürich; Martin Lienhard, Bau- und Raumakustik, Langenbruck
«WABI-SABI»: Romero & Schaefle Architekten AG, Zürich; Jean Pfaff, E-Ventallo; Claude Lichtenstein, Zürich; Max Lipp, Feusisberg