Weinfelden liegt eingeklemmt in einer Talsenke zwischen dem Ottenberg und der Thur. Das Siedlungsgebiet wird von der Eisenbahn zerschnitten, und ein Industriegürtel schliesst den Ort ab, ausser zum Berg hin, wo Einfamilienhäuser stehen. Dies führt zu zahlreichen Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Funktionen – wer sich in Weinfelden einmal verfahren hat, findet so schnell nicht wieder heraus: Die verwinkelten Gassen im historischen Kern scheinen im Kreis herum zu führen, die Industriegebiete sehen alle gleich aus – ebenso die drei Ausfallstrassen, die parallel zum Fluss durch den Ort führen. Einem Auswärtigen fällt die Orientierung im knapp 10 000 Seelen zählenden Städtchen schwer. Kein Wunder, dass die Behörden für ihre neue Feuerwehr ein Gebäude gesucht haben, das Identität stiftet und eine gewisse Orientierung ermöglicht.
Mit dem Siegerprojekt «Grisu» wird am östlichen Ortseingang von Weinfelden ein unverwechselbares Gebäude entstehen, das dennoch unaufdringlich bleibt. Es liegt an einer dieser Schnittstellen zwischen Industrie und Wohngebiet auf einer spitz zulaufenden, dreieckigen Parzelle.
Konstruktion mit Ausdruck
Die Basis für den Entwurf bildet eine klare und schlüssige Konstruktion des Tragwerks. Die geneigten Dachflächen sind aus Stahlträgern mit einer Holzverkleidung geplant. In der Garage steht das Dach auf Stahlpfosten, im Bereich der Verwaltung, der Garderoben und Theorieräume liegt es auf einem Mauerwerk auf. Die Fahrzeughalle umschliesst als L-förmiger Winkel den gemauerten Kern. Trotz durchgehender Konstruktion des Dachs bietet sich so die Möglichkeit, differenziert auf die unterschiedlichen Nutzungen einzugehen und den Dämmperimeter klar einzugrenzen. Die mächtigen Stahlträger (HEB- und IPE-Profile mit einer Höhe von 500 mm) ermöglichen eine stützenfreie Garage.
In dieser Konstellation zwischen Tragwerk und Grundriss konnten die Architekten einen eigenen Ausdruck für die drei Seiten des Gebäudes finden. Zu den Wohnbauten hin ist das Volumen abgetreppt und umfasst zwischen seinen vier ausspringenden Ecken drei kleine, ebenfalls dreieckige Aussenräume. In einem davon ist der Haupteingang untergebracht. Nur die dezente Beschriftung und die grossen Fenster markieren den Eingang. Die Fassaden zum Wohnquartier geben sich mit einem eloxierten Trapezblech betont industriell, eine Baumreihe vor dem Gebäude vermittelt zum Quartier.
An seinem südlichen Ende wechselt der Ausdruck des Gebäudes: Voll verglaste Tore fügen sich in die Reihe der Gewerbebauten in ihrer Umgebung ein. Die leicht geneigten Dächer zeigen in der Südfassade eine gezackte Kante (Abb. 03). Der strengen Geometrie des Tragwerks entlocken die Architekten einen verspielten Abschluss, der Jurybericht nennt das Gebäude sehr passend einen «kultivierten Industriebau». Gekonnt spielen kit architects auf unterschiedlichen Klaviaturen: Aus Tragwerk und Grundriss schaffen sie ein Gesamtsystem, das trotz seinem modulartigen Aufbau schlüssig auf die ungewöhnliche Geometrie der Parzelle reagiert.
Variation zum Thema
Die Kombination einer L-förmigen Garage mit einem dienenden Kern hatte die Jury wohl überzeugt: Auch der zweite Preis folgt diesem Schema. Allerdings setzen mg architekten aus Zürich das Konzept nicht so stringent um wie das Siegerprojekt. Die Statik der beiden Gebäudeteile ist losgelöst voneinander, und der Verwaltungskern sticht aus der Garage heraus. Zudem kommt die Fahrzeughalle, trotz mächtigen Schichtholzträgern, nicht ohne zusätzliche Stützen aus. Der vorgeschlagene Holzbau punktet zwar bei der Nachhaltigkeit, kommt in seiner Tragfähigkeit aber nicht an den Stahlbau des Siegerprojekts heran. Auch der Ausdruck des Gebäudes unterscheidet sich deutlich vom Gewinner: Das Sicherheitszentrum leuchtet bei mg architekten in Signalrot. Dies scheint in diesem Umfeld ein bisschen zu direkt auf die Nutzung zu verweisen.
Hervorragend mit Mängeln
Zu erwähnen ist auch das Projekt «fred» von Allemann Bauer Eigenmann Architekten aus Zürich, das ohne Rangierung mit einem Ankauf ausgezeichnet wurde. Es konzentriert den Baukörper im Süden der Parzelle und ordnet die Garagen strahlenförmig um einen Kern. Ein Ansatz, der zu einer eigenwilligen Lösung der Aufgabe führte. Die Jury weist dem Projekt «eine architektonisch hervorragende eigenständige Leistung» aus. Die funktionalen Mängel des Projekts schienen ihr aber unüberwindlich.
Marko Sauer Architekt, Korrespondent TEC21