Die Aare Seeland mobil (asm) hatte vier Stahlbauingenieurbüros eingeladen, für die Studie des Ersatzneubaus der alten Aarebrücke zu offerieren. Drei Büros wählte sie für die Studie aus.
Die 106-jährige Bahnbrücke liegt zwischen dem Schloss Aarwangen und dem früher als Zollhaus dienenden Gasthaus Bären. Diese Brückensituation ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz als Sonderfall von «nationaler Bedeutung» verzeichnet. Die Bahnbrücke selbst ist im Bauinventar des Kantons Bern als erhaltenswertes Baudenkmal (K-Objekt, Baugruppe C) notiert.
Die neue Bahnbrücke musste zudem mit der Strassenbrücke und dem angehängten Fussgängersteg als Ensemble des Aareübergangs gelesen werden. Das Bauvorhaben ist deshalb bezüglich Gestaltung und Einpassung in das bestehende Ortsbild anspruchsvoll.
Referenz an Gitterträger
Im Siegerprojekt überquert die neue Bahnbrücke die Aare als Zweifeldträger mit Spannweiten von je 48 m. Die offene Fahrbahn befindet sich auf halber Höhe zwischen den beiden 3.1 m hohen doppelsymmetrischen Hauptträgern der Stahlkonstruktion. Ihre Stegbleche sind perforiert.
Die rautenförmigen Öffnungen, die Spannungskonzentrationen möglichst klein halten, sind entsprechend der Schubbeanspruchung angeordnet. Diese Profilierung des Trägerstegs ist inspiriert von den genieteten Gitterträgern des 19. Jahrhunderts und führt zu einem logisch konsequenten Zusammenspiel von statischer Funktion und Ästhetik.
Die Konstruktion weist vergleichsweise wenige Schweissnähte auf und ist damit tendenziell ermüdungsgerechter als konventionelle geschweisste Konstruktionen. Mit der relativ leichten Konstruktion lassen sich umfangreiche Eingriffe in den bestehenden Unterbau vermeiden. Der Unterhaltsaufwand – diesbezüglich ist der Korrosionsschutz wesentlich – dürfte günstig sein, da die Anzahl Steifen und die Stahlflächen minimiert sind.
Der Rückbau der bestehenden Brücke und die Montage der neuen Konstruktion sind mit Pneukranen von der Strassenbrücke aus vorgesehen. Dazu werden zwei Hilfsjoche als zusätzliche Abstützung in den Fluss gerammt. Das Bauprogramm sieht eine Vollsperre des Bahnbetriebs von drei bis vier Wochen vor.
Vielfalt der Vollwandträger
Es erstaunt auch in diesem Fall, wie vielfältig ein Studienauftrag ausfallen kann, selbst wenn es sich um ein Variantenstudium eines Vollwandträgers zu handeln scheint: Die gestalterischen Unterschiede der ausgearbeiteten Projekte sind offensichtlich und markant. Es wird deutlich, wie wichtig die formale Ausarbeitung und die eigenständige Formgebung auch bei einem Ingenieurbauwerk sind.
Projekt von ACS Partner und Edi Imhof
Die Konstruktion besteht aus zwei parallelgurtigen Vollwandstahlträgern mit einer Höhe von 3.06 m, die alle 4 m mit Querträgern verbunden sind. Die offene Fahrbahn ist auf etwa der halben Trägerhöhe angeordnet. Die Flansche und der Steg sind leicht geneigt und alle 2 m durch eine innen und aussen liegende Rippe ausgesteift. Diese im Querschnitt etwa Z-förmige Ausbildung ist originell und zweckmässig: Steifen variabler Länge dienen auf der Innen- und Aussenseite des Trägers entsprechend den statischen Erfordernissen der Aussteifung des Stegblechs und der Einspannung der Vollwandträger im U-Querschnitt. Es entsteht ein raffiniertes Zusammenspiel von statischer Funktion und Ästhetik. Der Träger wirkt aber im Ortsbild dominant. Die neue Stahlkonstruktion wird auf die bestehenden Widerlager und den Mittelpfeiler aufgelegt. Das feste Lager befindet sich auf dem Mittelpfeiler, und die Bremskräfte werden in die Widerlager eingeleitet. Dazu müssen die Widerlagerbänke und der Mittelpfeilerkopf erneuert werden. Die Vormontage der neuen Konstruktion erfolgt auf einem flussnahen Bauplatz. Während der Vollsperre von vier Wochen wird die bestehende Konstruktion aus- und die neue Konstruktion eingeschwommen.
Projekt von Flückiger + Bosshard und Homberger Architekten
Die beiden zweifeldrigen parallelgurtigen Vollwandstahlträger erscheinen elegant sie sind konventionell und wirken zugleich zeitgemäss. Sie ermöglichen eine effiziente Herstellung und Montage. Unterschiedlich geformte und zufällig angeordnete Rippen gliedern die Stegbleche; sie beleben die Träger und ergeben ein interessantes Licht-Schatten-Spiel – die Rippen sind aber rein gestalterische Elemente und übernehmen keine statische Funktion. Sie wirken deshalb aufgezwungen und verursachen viele Schweissnähte, die bezüglich der Ermüdung grundsätzlich unerwünscht sind. Ausserdem ist die Konstruktion relativ schwer und hat eine grosse, mit Korrosionsschutz zu versehende Oberfläche. Der vorgeschlagene braun-rötliche Anstrich vermochte die Jury als Farbe für das technische Objekt, das die Bahnbrücke ist, nicht zu überzeugen.
Das Gleis befindet sich als offene Fahrbahn auf etwa halber Höhe zwischen den beiden 3.0 m hohen Hauptträgern. Die neue Brücke wird neben der bestehenden Brücke montiert und nach dem Abbruch der bestehenden Brücke durch Quereinschieben an die definitive Lage versetzt. Dieser Bauvorgang macht eine Vollsperre des Bahnbetriebs von dreieinhalb Wochen notwendig und erfordert einen sehr grossen Strassenkran.
Clementine Hegner-van Rooden Ingenieurwesen, Korrespondentin TEC21