Über die Himmelstreppe ins Jenseits. An einen Ort, an dem das Geld auf Bäumen wächst. So startet die aktuelle Ausstellung des Stapferhauses und fordert ihre Gäste auf, sich mit dem Wert des Gelds und seiner gesellschaftlichen Bedeutung auseinanderzusetzen. Kommende Ausstellungen zu den Themen der heutigen Zeit sollen bald im neuen «Haus der Gegenwart» am Bahnhof in Lenzburg ihren Platz finden, da der jetzige Standort im Zeughaus nur temporär zur Verfügung steht. Der Neubau dient auch dazu, die Büroräumlichkeiten des Stapferhauses auf dem Schloss Lenzburg unter einem Dach mit den Ausstellungsräumen zu vereinen.
Die Ausstellungsmacher legen dabei vor allem Wert auf Flexibilität. Gemäss Sibylle Lichtensteiger, Leiterin des Stapferhauses, bedingt jedes Thema eine spezifische räumliche Disposition und Wegführung, um mit den Besucherinnen und Besuchern zu interagieren und um die Attraktivität der Ausstellung zu erhöhen. So werden im Zeughaus jeweils Wände neu gesetzt, Deckenöffnungen verändert und Treppen verschoben. Diese Art der Flexibilität in den Neubau zu überführen stellte laut Mathias Heinz von pool Architekten aus Zürich die grösste Herausforderung des Wettbewerbs dar.
Die Freiheit in der innenräumlichen Gestaltung war unter anderem ein Grund, weshalb das «Blaue Haus» von pool Architekten als Sieger aus dem selektiven Verfahren mit insgesamt 58 Bewerbungen hervorging. Während beispielsweise das drittplatzierte Projekt «Mikrokosmos» für die Ausstellungen auf eine eingeschossige Lösung setzte, gestattet das zweigeschossige Konzept des «Blauen Hauses» mehr Möglichkeiten für vertikale Verbindungen.
Zwar ist die Tauglichkeit der angedachten Holzkonstruktion für Wand- und Deckenöffnungen noch nicht vollends geklärt, doch ein entsprechendes Potenzial scheint vorhanden zu sein. Die ungleich hohen Geschosse bieten zudem unterschiedliche Qualitäten, und der obere Raum erlaubt es, zusätzliche Böden einzuziehen. Die Auslagerung der Haupterschliessung aus dem «Ausstellungshaus» in das Volumen des «Betriebshauses» war ein weiterer Pluspunkt, um autonome Raumexperimente zu ermöglichen. Gesucht wurde für das «Haus der Gegenwart» also vielmehr die flexible Ausstellungshalle als der spezifische Museumsbau.
Neben dem Raumkonzept überzeugten pool Architekten die 13-köpfige Jury mit der städtebaulichen Setzung und dem Ausdruck des Gebäudes. Das klare, gestaffelte Volumen vermittelt laut Jurybericht zwischen den unterschiedlichen Massstäben der Umgebung. Das unprätentiöse Äussere der einheitlich dunklen Holzfassade erscheint als richtige Antwort für den ansonsten sehr heterogenen Kontext.
Anders agierte etwa das Projekt «Bob» auf dem zweiten Platz, das im Sinn Robert Venturis auf den «Decorated Shed» setzte. So sollte sich die Erscheinung der Fassade jeweils den wechselnden Ausstellungen anpassen.
Flexibilität allenthalben
Gegenüber den anderen 18 Beiträgen der zweiten Wettbewerbsphase punkteten die Gewinner bezüglich Städtebau mit der zweigeschossigen Pergola, die den Eingang markiert und dem Haus eine klare Adresse verschafft. Die sogenannte Gegenwartsbühne setzt aussen fort, was im Innern unentbehrlich ist – eine hohe Flexibilität. So wird der gefasste Aussenraum wahlweise der Stadt oder dem Haus zugeschlagen, dient als Erweiterung des Cafés oder als Auftakt der Ausstellung.
Für Mathias Heinz war der Aspekt dieses Aussenraums bereits früh geklärt – im Gegensatz zur innenräumlichen Umsetzung des Nutzungskonzepts. Pool Architekten verwendeten als Einzige unter den Preisträgern keine Innenbilder für die Abgabe. Mathias Heinz begründet dies mit der Tatsache, dass eine neutrale Halle gefordert wurde und die Ausgestaltung der Innenräume sowieso bei den Ausstellungsmachern liege.
Andere Projekte konnten bezüglich der Flexibilität oder der städtebaulichen Lösung mit dem Projekt von pool Architekten konkurrieren. Doch kein anderer Teilnehmer schaffte es, die beiden entscheidenden Kriterien des Wettbewerbs gleichermassen adäquat zu beantworten.
Nach Abschluss des Architekturwettbewerbs stellt sich die wohl grösste Herausforderung für das «Haus der Gegenwart». Obwohl bereits ein grosser Teil der Projektfinanzierung gewährleistet ist, fehlen weitere 7.7 Mio. Fr. Im Gegensatz zur aktuellen Ausstellung wird demnächst also nicht mehr der Wert des Gelds befragt, sondern der Wert und die Bedeutung einer kulturellen Institution für eine Gesellschaft, die von ihr mit aktuellen Fragen der Gegenwart konfrontiert wird.
Stefan Kunz Architekt MA Hochschule Luzern / FHZ