Entlang der S-Bahn-Linie nach Uster reihen sich die Trabantensiedlungen: In Dübendorf, Schwerzenbach und Greifensee schläft Zürich. Hinter dem Agglomerationsgürtel mit Bahnanschluss verbergen sich zuweilen aber Perlen wie das historische Landstädtchen Greifensee. Rund ein Dutzend Häuser spannen ein Dreieck auf – zusammen mit dem Schloss bilden sie das «Städtli» am Ufer des Sees. Die Ortschaft ist gewachsen, der historische Siedlungskern blieb das kulturelle und gesellschaftliche Zentrum. Und darin kommt dem Landenberghaus als Gemeindesaal eine besondere Bedeutung zu.
Kunst statt landwirtschaft
Zwischen Schloss und Pfarrhaus gelegen, wurde der Mehrspartensaal 1969 an der Stelle einer Scheune errichtet. In ihm versammeln sich die zahlreichen Vereine der Region und organisieren dort Kultur und Unterhaltung. Zu Beginn war das Haus auf Theater ausgerichtet, die Bühne als Schaukasten ausgebildet. Die Nutzungen sind breiter geworden, und der Anspruch ist gestiegen: Insbesondere der Kammermusik eilt laut Jurybericht ein hervorragender Ruf voraus – weit über die Grenzen der Schweiz hinaus. Mit 200 Plätzen und der eingeschränkten Infrastruktur ist das Haus zu klein geworden für die Ambitionen. Zudem drängen bauliche Mängel zu einer Sanierung, und die Fluchtwege erfüllen die Auflagen nicht mehr.
Steinig oder offen?
Die Gemeinde entschloss sich, das Landenberghaus zu ersetzen: Der Neubau soll unterschiedliche Veranstaltungen ermöglichen, mehr Platz bieten und einen festlichen Rahmen bilden. Ein Teil der Funktionen kann zudem in das benachbarte Pfarrhaus verlegt werden, das die Stadt durch einen Abtausch erwerben konnte. Vor allem aber muss sich das neue Haus ins Stadtbild fügen.
Darüber entspann sich laut Jurymitglied Willi Egli eine grundsätzliche Debatte: Soll die neue Fassade geschlossen und mural erscheinen, oder darf sie auch offen und transparent sein? Die beiden ersten Ränge beantworten diese Frage unterschiedlich. Mit dem Siegerprojekt hat sich die offene Variante durchgesetzt, die laut Jurybericht «mit ihrer Materialität und Gliederung einen ungewohnten Akzent im Stadtbild setzt». Und auch wenn die Debatten des Gremiums geheim bleiben, zeigt die eher geringe Differenz im Preisgeld – 45000 Fr. für den Sieger und 40000 Fr. für den zweiten Platz –, dass das Rennen knapp war.
Der Mut wurde belohnt
Das Landenberghaus teilt sich mit dem Pfarrhaus eine Wand, und die geschützte «Städtlimauer» umschliesst es von zwei Seiten. Nur die Fassade ins Städtchen hinein konnte frei gestaltet werden. Die Stadtmauer endet mit einem prägnanten Treppengiebel, dessen unterste Stufe um ein kurzes Mauerstück verlängert ist. Die aussergewöhnliche, asymmetrische Form hat zahlreiche Büros inspiriert, ihre Volumen daraus abzuleiten, zumal auch der bisherige Bau darauf eingeht.
Im besten Fall entstanden anregende Schnitte, die sich am Bestand orientieren, oder ein Saal, der die Asymmetrie für eine dramatische Raumfigur nutzt. Im schlechteren Fall führte die Form zu verzogenen Volumen, die sich zwischen dem Pfarrheim und der Wandscheibe aufspannen. Und selbst Flachdächer schienen für einige der 87 Teilnehmer am Wettbewerb ein gangbarer Weg zu sein.
Die Sieger gehen da deutlich behutsamer vor, auch wenn sie mit einem mutigen Schritt Platz schaffen für einen grossen Festsaal: Sie stocken den asymmetrischen Treppengiebel auf und ergänzen ihn zu einer symmetrischen Form. Offenbar ist dieser Eingriff im geschützten Ortskern zu vertreten, denn mit Peter Baumgartner war die kantonale Denkmalpflege in der Jury vertreten.
Die paarweise angeordneten Dachträger sind die zweite Erfindung in diesem Projekt. Sie strukturieren den Raum und bieten Platz, um die technischen Einrichtungen diskret zu versorgen. Ihre Statik ermöglicht zudem, die Emporen an den hohen Pfetten aufzuhängen – der darunter liegende Saal bleibt ohne Stützen, kann dadurch flexibel genutzt werden und bietet mehr Sitzplätze. Die Umfassungsmauern werden roh belassen. Sie bilden einen spannungsvollen Kontrast zu den handwerklichen und fein ausgearbeiteten Einbauten.
Zum Platz hin sucht das Projekt einen eigenständigen Ausdruck, der sich zwischen seinen Nachbarn behauptet. Dabei bleiben die Verfasser ihrer Linie treu: Zurückhaltend, aber konsequent entwerfen sie eine Fassade, in der Ausdruck, Konstruktion und Nutzen unaufgeregt zueinander finden. Wie es im Namen des Projekts anklingt, findet das Landenberghaus damit eine feine und unverwechselbare Stimme.
Text: Marko Sauer, Architekt